War Familienrichter am OLG Celle früher ein aktiver Neonazi?

Ein heute am Oberlandesgericht (OLG) Celle tätiger Familienrichter soll in seiner Jugend enger Mitarbeiter des niedersächsischen NPD-Funktionärs und Neonazis Hans-Michael Fiedler gewesen sein. 15 Jahre lang soll der Jurist in zum Teil vom Verfassungsschutz oder in Stellungnahmen der Bundesregierung als rechtsextrem eingeschätzten Organisationen aktiv gewesen sein. Das geht aus einer aktuellen Studie eines Teams der Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen in Niedersachsen (FoDEx) hervor. Der heutige Richter könne als „prototypischer Kader“ im Sinne einer „nationalen Jugendbildungsarbeit“ gelten, die der mit Berufsverbot belegte Fiedler in Südniedersachsen betrieb, sagt die Leiterin der Studie, Katharina Trittel. Fiedler (1943–2019) war dem Forschungsbericht zufolge zu Lebzeiten einer der führenden Rechtsradikalen Deutschlands. Oberlandesgericht Celle will Studie auswerten: Die Präsidentin des OLG, Stefanie Otte, wusste von den Vorwürfen bislang nichts. Sie habe erst durch die Anfrage der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) davon erfahren, sagte ein OLG-Sprecher. Der Kollege habe sich ihr gegenüber dazu nie geäußert, auch die Studie habe sie nicht gekannt. Man werde die Studie jetzt auswerten, hieß es. Der betroffene Richter antwortete auf mehrere Anfragen der HAZ nicht. In einem ersten Gespräch mit dem OLG über die Vorwürfe habe er nach Angaben des Sprechers jedoch betont, dass er seit seiner Einstellung in den Staatsdienst nicht politisch aktiv gewesen sei. Studie beschäftigt sich hauptsächlich mit Hans-Michael Fiedler: Die Studie „Vom ,Wächter am Tor’ zum ,Einsamen Wolf’“ beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Leben Hans-Michael Fiedlers, der – so die Forscher – über Jahrzehnte insbesondere in Göttingen als rechtsextremer politischer Aktivist tätig war. Zugrunde liegt ihr der Teilnachlass des NPD-Funktionärs, den FoDEx seit 2019 verwaltet. Die Forschungsstelle ist am Göttinger Institut für Demokratieforschung angesiedelt. Demokratieforscher von dort arbeiteten 2013/2014 die Rolle der Grünen im Umgang mit Pädosexualität auf. Auch dass Niedersachsens früherer Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf in Nazi-Verbrechen verstrickt war, deckte eine Institutsmitarbeiterin auf. Zu Fiedlers politischen Zöglingen habe unter anderem Holger Apfel gehört (von 2011 bis 2013 Bundesvorsitzender der NPD), heißt es in der aktuellen Studie eines vierköpfigen Teams um Katharina Trittel. Forscher bezeichnen OLG-Richter als „politischen Ziehsohn“ Fiedlers: Als „politischen Ziehsohn“ Fiedlers bezeichnen die Forscher auch den nun unter die Lupe genommenen heutigen Familienrichter. Dieser sei bereits als Gymnasiast Mitte der Siebzigerjahre in Göttingen in dessen Dunstkreis geraten. 1974 – als 16-Jähriger – gründet er den Unabhängigen Schüler-Bund (USB). Er sei „bereits heute die stärkste und profilierteste Persönlichkeit im Lager der jungen Rechten“, lobt Fiedler den Jugendlichen, der auch in der rechtsradikalen Zeitschrift „Nation Europa“ publiziert. Dabei bleibt es nicht. Fiedler besetzt – so die Forscher – in seinem rechtsradikalen Netzwerk immer wichtigere Posten mit ihm. Der heutige Familienrichter soll zwischen seinem 15. und dem 30. Lebensjahr führend in Gruppierungen tätig gewesen sein, die unter anderem von der Bundesregierung und vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch bezeichnet werden. 1998 zum Richter am OLG Celle ernannt: Noch 1988 nennt NPD-Funktionär Fiedler ihn seinen „Hausjuristen“. Dann brechen die Hinweise auf das rechte Engagement des Richters ab. Warum dies so ist, können die Forscher nicht verifizieren. Hinweise darauf, dass er weiter in der rechten Szene aktiv ist, finden sie nicht, auch nicht solche, in denen er sich distanziert. Er wird nach Angaben des OLG Celle 1992 als Richter auf Probe eingestellt und 1998 zum Richter am OLG ernannt. Danach ist er bis heute in verschiedenen Familiensenaten tätig. Mehr oder weniger zufällig war die Historikerin Katharina Trittel auf die offenbar rechtsradikale Vergangenheit des Familienrichters am OLG Celle gestoßen. Wie sie das herausfand und wie schwer es ist, etwas über das heutige Leben des Mannes zu recherchieren. Von Jutta Rinas