Service am OLG Celle: Dank ZMV-Stelle eigenständig Gerichtspost lesen

Wenn blinde oder sehbehinderte einen Brief vom Gericht erhalten, sind sie bislang auf fremde Hilfe angewiesen. Um den Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, hat die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) einen neuen Service des Oberlandesgerichts Celle eingeweiht. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) haben Sehbehinderte, die Beteiligte eines Gerichtsverfahrens sind, Anspruch darauf, dass ihnen Akteninhalte in einer für sie wahrnehmbaren Form zur Verfügung gestellt werden. Dazu wurde die nach der Zugänglichmachungsverordnung (ZMV) benannte ZMV-Stelle zentral für alle niedersächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften beim OLG eingerichtet. Die ZMV-Stelle verfügt über die technische Ausstattung, um Schriftstücke für Menschen mit Sehbehinderungen umzuwandeln. Ein spezieller Drucker verfasst Gerichtsschreiben in Brailleschrift oder im Großdruck. Dokumente können in eine barrierefreie PDF-Datei umgewandelt werden. Sogar eine Hörfassung für den Daisy-Player ist möglich. Entsprechende Anträge sind an das jeweils zuständige Gericht, im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft und im behördlichen Bußgeldverfahren an die Verfolgungsbehörde zu richten. Richter Marco Rech leitet die ZMV-Stelle. "Im Textmanagement war schon eine Menge Wissen vorhanden, doch in internen Schulungen haben wir unser Wissen noch vertieft." Dazu hat Gerd Schwesig vom Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen seine Erfahrung eingebracht. Er ist begeistert von der Umsetzung des Projekts: "Ich bin stolz darauf, was hier geleistet wurde und mit wie viel Herzblut hier gearbeitet wurde." Er ist sich sicher, dass 99 Prozent der Blinden und Sehbehinderten hier ihr Format wiederfinden würden. So werden Texte barrierefrei gestaltet: Texte sind barrierefrei, wenn serifenfreie Schriftarten verwendet werden, die Mindestschriftgröße bei 11-Punkt liegt, Tabellen und Grafiken im Fließtext beschrieben werden, Unterstreichungen und kursiver Text entfällt, wesentlicher Inhalt nicht in Kopf- und Fußzeilen steht und nur Spiegelstriche verwendet werden, damit ein Programm den Text möglichst fehlerfrei vorlesen kann. Schwesig sagt: "Viele Sehbehinderte schaffen es nicht mehr, vor der völligen Erblindung die Brailleschrift zu lernen." Daher seien Vorlese-Programme sehr beliebt. Die inhaltliche Interpretation von Bildern und Tabellen werde die Justiz noch vor Hürden stellen, so Rech: "Da müssen wir noch gucken, wie wir leisten können. Es ist nicht unproblematisch, Bilder in Texte zu übersetzen. Dann müssen wir alle Verfahrensbeteiligten informieren." OLG-Präsidentin Stefanie Otte ist zuversichtlich: "Ich glaube schon, dass das ein Renner wird, weil die ZMV-Stelle selbstbestimmte Teilhabe ermöglicht."