Der tödliche Messerangriff im Dresdner Landgericht auf eine 31-jährige Ägypterin Anfang Juli hat die Debatte um die Sicherheit in Gerichten neu entfacht. Unter anderem wird darüber diskutiert, die Besucherkontrollen zu verschärfen.
„Die Sicherheit wird deutlich erhöht, wenn eine generelle Einlasskontrolle stattfindet“, sagte Günter Busche, Direktor des Celler Amtsgerichts. Dazu müssten jedoch mehr Wachtmeister eingestellt werden. „Wir sehen uns mit dem derzeitigen Personalbestand nicht in der Lage, generelle Kontrollen durchzuführen“, verwies Busche auf die Situation in Nordrhein-Westfalen, wo es Sicherheitsschleusen an allen Gerichten gibt. Bisher ordnet das Amtsgericht Celle Personenkontrollen nur dann an, wenn sich im Vorfeld einer Verhandlung eine Gefährdung abzeichnet – wie jüngst beim Prozess im Schrotthändler-Milieu.
●Aggressionspotenzial nicht abschätzbar: „Es kann sein, dass ein Verfahren ein Aggressionspotenzial hat, das von Außenstehenden gar nicht erwartet wird“, erläuterte Busche. „Das ist mit Erfahrung und tüchtigen Wachtmeistern nicht abschätzbar.“ Das gelte insbesondere für vermeintlich harmlose Familienstreitigkeiten an Amtsgerichten, die zum Teil sehr emotional ausgetragen werden.
Die Situation in den der Gerichten hänge auch von der Struktur des Gerichtsbezirks zusammen, sagte Busche. „Hannover ist groß und unübersichtlich. Dort ist das kriminelle Potenzial sicherlich höher als in der Provinz.“ Jüngst wurden bei einer Kontrolle im Amtsgericht Hannover 60 Messer, Teppichmesser, große Scheren, Teleskopschlagstöcke, Reizstoffspray, Drogenspritzen und Marihuana gefunden. Insgesamt wurden 104 gefährliche Gegenstände sichergestellt. Sechs Waffen wurden eingezogen.
Im Celler Amtsgericht sei es noch nicht zu Gewalteskalationen gekommen, erläuterte Busche. Allerdings gab es zwei Fälle, die für Aufsehen sorgten: Vor gut zwei Jahren hatte ein Mann im Dienstzimmer einer Richterin ein Messer gezückt. Das Sicherheitspersonal schritt umgehend ein. Es wurde niemand verletzt. Im September vergangenen Jahres schaffte es ein Mann, auf das Dach des Amtsgerichts zu klettern und ein Transparent auszurollen.
●OLG plant Veränderungen: Auch am Oberlandesgericht (OLG) Celle macht man sich intensiv Gedanken über erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. OLG-Sprecherin Stephanie Springer wies darauf hin, dass Richter immer wieder Drohbriefe erhielten. Deshalb arbeite das OLG an der Verbesserung seines Sicherheitskonzeptes. „Wir werden weitere Veränderungen vornehmen.“ Einzelheiten nannte Springer zunächst nicht.
Das bisherige Konzept des OLG beruht auf Sichtkontrollen am Einlass, einer mobilen Sicherheitsschleuse und einem Hochsicherheitstrakt, in dem beispielsweise der El-Kaida-Prozess verhandelt wurde. „Es kann auch sein, dass einmal eine Straße gesperrt werden muss“, sagte Springer mit Bezug auf den El-Kaida-Prozess.
●Besser ausgestattet: Die OLG-Sprecherin wies darauf hin, dass sich die Ausstattung und Ausbildung der Justiz-Wachtmeister grundlegend geändert habe. Seit Ende vergangenen Jahres verfügt das Sicherheitspersonal über schuss- und schnittsichere Westen, Handsonden, Hand- und Fußfesseln, Schlagstock und Pfefferspray. Für den Einsatz dieser Mittel werden die Wachtmeister ausgebildet, sagte Springer. „Sie dürfen das nicht nutzen ohne ein entsprechendes Training.“
Springer betonte, dass es mehr Sicherheit nicht zum Nulltarif gebe. In Absprache mit dem Justizministerium müssten dazu Entscheidungen getroffen werden. Sollten die finanziellen Mittel nicht aufgestockt werden, könnten verstärkte Sicherheitsmaßnahmen nur „durch Umverteilung im Budget“ erfolgen. Die Folge: Prozesse könnten länger dauern.