Gunnar Ewert zeigt altes Handwerk und beschlägt Pferde in Celle

Das Handwerk – es ist fast so alt wie die Menschheit selbst. In der Celler Innenstadt findet man nach wie vor Menschen, die sich mit Handwerkskunst beschäftigen oder damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. In unserer neuen Serie "Altes Handwerk in alten Mauern" stellen wir einige von ihnen vor. Seit der Antike bekannt: Hufschmiederei ist wahrhaftig ein altes Handwerk. Bereits in der Antike suchten Menschen nach Möglichkeiten, um die Hufe ihrer Pferde auf steinigem Boden vor übermäßiger Abnutzung zu schützen. Im alten Ägypten wurden den Pferden eine Art Sandalen aus Bast oder Leder an die Hufe gebunden. Die Römer setzten auf ihren Eroberungszügen schon Kupfer und Eisen zum Schutz der über die natürliche Belastungsgrenze geforderten Hufe ein – sogenannte Hipposandalen. Die ersten genagelten Hufeisen wurden wahrscheinlich um 500 vor Christus von den Kelten verwendet. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus das klassische U-förmige Hufeisen aus Eisen oder Stahl, wie wir es heute kennen. Neue Materialien: Heutzutage könnte Hufbeschlagschmied Gunnar Ewert auch auf leichteres Aluminium, Stahllegierungen, Kunststoffe oder sogar im Leistungssport vorkommende Titan-Hufeisen aus dem 3D-Drucker setzen. Kein Lehrberuf im klassischen Sinn: "Bevor man Hufschmied lernen kann, muss man eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Ich habe vorher Pferdewirt gelernt, hier auf dem Landgestüt", sagt Gunnar Ewert. Auch wenn eine großer Teil der als Hufbeschlagschmied arbeiteten Fachleute eine Grundausbildung haben, die zu den Aufgaben passt, wie etwa Metallbauer oder eben Pferdewirt – eine Voraussetzung ist es nicht. "Das spielt keine Rolle, man kann auch Friseur oder Bäcker sein, das ist egal. Der Hufschmied ist kein anerkannter Lehrberuf mehr, früher war er das mal und wurde dann bei der Handwerksreform vergessen." Staatliche Prüfung und Praktikum: Stattdessen ist der Ausbildungsweg als Erwachsenenqualifikation angelegt, an deren Ende eine staatlich anerkannte Prüfung steht. "Nach der ersten Berufsausbildung geht man zwei Jahre ins Praktikum bei einem fertig ausgelernten Hufbeschlagschmied. Dann macht man einen fünfmonatigen Abschlusslehrgang mit einer anschließenden Prüfung", erklärt Ewert. Wenig Nachwuchs: Der ungewöhnliche Ausbildungsgang dürfte einer der Gründe sein, warum der Beruf seltener wird. "Wir haben definitiv zu wenig Nachwuchs", sagt Ewert. Dabei ist die Auftragslage gut, in Celle ohnehin. Das Landgestüt ist einer von Ewerts Hauptkunden, daneben beschlägt der Schmied auch Pferde von privaten Auftraggebern. Firmensitz ist in Westercelle, doch die Zeit, in der die Pferde zum Schmied gebracht wurden, sind längst vorbei. Klassischer Hufbeschlag immer noch aus Eisen: Statt einer gemauerten Esse und einem riesigen Amboss vor der Schmiedewerkstatt, ist Mobilität gefragt. Die Esse hat Ausmaße einer großen Mikrowelle und ist gasbetrieben, das gesamte Equipment passt auf einen Anhänger. In der Ausbildung gehört das Schmieden eines Hufeisens aus einem Stück Flachstahl noch dazu, im Berufsalltag passt sich der Hufschmied Rohlinge auf die Bedürfnisse und Hufform des Pferdes an. Auch wenn die Branche immer wieder mit verschiedenen Materialien experimentiert – Altbewährtes bleibt. "Egal was neu auf dem Markt kommt, irgendwann kommt alles zurück zum klassischen Hufeisen", sagt Ewert. Die Form hingegen ist flexibel und wird auch terapeutisch verwendet, etwa wenn ein Huf einseitig belastet wird aufgrund einer Erkrankung oder Fehlhaltung. Mit "Livaldon" auf Schritt und Tritt: An diesem Morgen ist Ewert in der Hengstprüfungsanstalt Adelheidsdorf, die sozusagen die Talentschmiede des Landgestüts ist. Jahr für Jahr werden hier Junghengste auf elfmonatigen Leistungsprüfung angeliefert. Nur ein Hengst, der hier mit seinen Testergebnissen überzeugt, darf ins Landgestüt aufrücken. Heute bekommt "Livaldon" eine Hufpflege und neue Eisen. Die alten Eisen sind runter, barhufig harrt Livaldon auf den Arbeitsschritt. Ewert hebt einen Vorderlauf des großen Tieres an und setzt mit dem Hufmesser an. An der Hufunterseite entfernt der Fachmann mit präzisen Schnitten eine grau-braune Masse, die an Lehmboden erinnert. Doch dann kommt unter den abgeraspelten Stücken plötzlich strahlendes weiß zum Vorschein. Das "Bruchhorn" in der Innenseite des Hufs wird mechanisch entfernt – in der Natur würde es durch die Abnutzung von alleine herausfallen. Am Ende ist die Sohle wieder gewölbt, geschmeidig und kann arbeiten. Der äußere "Tragerand" wird mit einer Hufzange gekürzt. Hat das Pferd eine Fehlstellung, kann der Fachmann sie entsprechend beeinflussen. "Dann kürze ich an manchen Stellen mehr und an manchen weniger, um zu erreichen, dass das Pferd gerade steht und plan auffußt." Unter den Edel-Pferden sind echte Probleme die Ausnahme, hier geht es mehr um die Pflege. Gutes Verhältnis zu den Tieren wichtig: "Jedes Pferd ist verschieden. Anfang wird das Pferd in der Bewegung und im Stand beurteilt. Da wird das Gangbild beachtet und ob es irgendwelche Schonhaltung hat", erklärt Ewert. Wie weit er den weicheren Innenteil des Hufs abtragen muss, hat der Schmied im Gefühl. Natürlich setzt sich auch die Lehr-Literatur seitenweise damit auseinander, doch Erfahrung, Fingerspitzengefühl und ein Verhältnis zu den Tieren sind durch nichts zu ersetzen, so Ewert. Dann wird der Tragerand, die harte Außenkante des Hufs mit der Hufzange eingekürzt. Obwohl da gerade ein Mensch mit Raspel, Feile und Zange an seinen Hufen arbeitet, lässt sich Livaldon nicht aus der Ruhe bringen. Pferd spürt keine Schmerzen: "Das ist die weiße Linie, genau zwischen Tragerand und Sohle", sagt Ewert und deutet auf eine feine Linie – nur in ihr dürfen die Hufnägel eingeschlagen werden. Zu weit in die Sohle und es drohen Verletzungen, zu weit in den Tragerand und der Huf könnte splittern. Die alten Hufeisen haben ausgedient. Ein Rauschen ertönt, als der Gasbrenner der Esse die neuen Eisen zum Glühen bringt, dann bringt der Schmied den Stahl in Form. Dass noch glühende wird kurz auf die Hufe gedrückt, Rauch steigt auf, es riecht nach verbranntem Horn. Was gefährlich aussieht, ist für das Pferd nicht zu spüren. Livaldon verzieht jedenfalls keine Miene. Dafür sieht Ewert so genau, wie das Eisen angepasst werden muss, damit es auch wirklich passt. Mit einem lauten Zischen verschwindet der Pferdeschuh im Wassereimer, dann geht es an den Bandschleifer. Funken fliegen, als der Hufschmied die Außenkanten abschleift, um einen sauberen Tritt zu gewährleisten. Mit präzisen Hammerschlägen treibt der Schmied die Hufnägel in die weiße Linie, wie er ist schon unzählige Male getan hat. Dann ist Livaldon wieder gut zu Fuß. Auch sonst ein Pferdenarr: Seit 2015 ist der 28-Jährige selbstständig als Hufschmied unterwegs, zunächst gemeinsam mit seinem Vater, seit 2019 als Ein-Mann-Unternehmen. Sein Vater legte ihm auch die Liebe zu den Tieren und dem Reitsport in die Wiege. Ewert Junior hat ein eigenes Pferd und ist als zweiter Vorsitzender im Reit- und Fahrverein Westercelle/Altencelle aktiv.