Dank ehrenamtlicher Hilfe: Bahnhofsmission in Celle wird zu Friseursalon

Irmgard Seer wollte es auf keinen Fall drauf ankommen lassen und zu spät kommen. Deswegen machte sie sich schon gegen halb neun auf den Weg zur Bahnhofmission. Nicht nur, um einen Kaffee zu trinken. Viel mehr hätte sie gerne eine neue Frisur. "Die Friseurin, die zu uns ins Altenheim kommt, der vertraue ich nicht", begründet sie. "Die wollte mir einmal Locken verpassen und das sah wirklich fürchterlich aus. Das mach ich nicht noch einmal." Ehrenamtliche Friseurinnen schneiden kostenlos die Haare: Am Montagvormittag ist nicht nur die Celler Seniorin da. Die Räume der Bahnhofsmission sind gefüllt, wie schon lange nicht mehr. "Wir haben hier heute ganz schön Trubel", bestätigt Leiterin Daniela Brückner. Grund dafür sind Jasmin Sevenich und Karin Glaßner. Die beiden gelernten Friseurinnen schneiden den ganzen Tag über kostenlos die Haare. "Ich hab das schon ein paar Mal gemacht", sagt Sevenich. Von Berufskollegen musste sie sich deswegen tatsächlich bereits Spott anhören. "Sie haben drüber hergezogen, dass ich die Haare vorab nicht gewaschen hab, oder dass ich schnell schnell ohne die nötige Perfektion geschnitten hab. Aber ich hab das allein unter wirklich schwierigen Bedingungen in einem kleinen Waschraum gemacht. Ich hab das Möglichste rausgeholt." Sticheleien von Friseurkollegen: Glaßner hat von diesen Sticheleien gehört und daraufhin ihre Hilfe angeboten. "Ich hab gleich gesagt, dass ich gerne mit anpacke. So haben wir etwas mehr Zeit für den Einzelnen und es artet nicht in Stress aus", sagt sie. "Wir beide möchten etwas zurückgeben." Sevenich hat sich sogar extra einen Tag Urlaub genommen. "Mir macht das Spaß und die Menschen sind so dankbar. Viele bringen uns sogar ein kleines Geschenk mit, weil sie froh sind, dass wir das hier machen." Ein bisschen sind sie also auch Schutzengel. Zehn Jahre jünger mit frischem Haarschnitt: Ein kleines, in buntes Geschenkpapier eingepacktes Paket hat auch Karlheinz Junghähne dabei. Auch er ist extra aus seinem Pflegeheim gekommen, um sich einen frischen Haarschnitt verpassen zu lassen. "Sollen die Koteletten dran bleiben?", fragt Frisörin Glaßner den 74-Jährigen. "Nur ein bisschen, bis zur Hälfte", wünscht sich dieser. Als er nach gut 20 Minuten fertig ist, ist nicht nur er selbst zufrieden. "Aber Hallo!", ruft Irmgard Seer, die noch immer gegenüber auf ihrem Stuhl sitzt und gerade ein bisschen Haargel in die Spitzen massiert bekommt. "Da siehst du ja glatt zehn Jahre jünger aus." Geheimtipp für Friseurbesuch: Seer selbst ist ebenfalls zufrieden mit ihrem eigenen Ergebnis. "Sehr schön, nur ein Jammer, dass ich so untalentiert bin und das selbst nie so hinkriege", meint sie beim Blick in den Spiegel. Erzählen, wo sie ihren Haarschnitt her hat, das will sie zu Hause im Pflegeheim nicht. Aus einem ganz simplen Grund: "Ich will nicht, dass hier nächstes Mal das halbe Heim auf der Matte steht. Diesen Geheimtipp bewahre ich mir."