Celler gründen Europa-Union

Pünktlich zur Europa-Woche wird am Donnerstag, 12. Mai, um 19 Uhr im Kreistagssaal an der Trift der Celler Ortsverein der Europa-Union neu gegründet. CZ-Redakteur Gunther Meinrenken sprach vorab mit der Mitinitiatorin Kirsten Lühmann über die Hintergründe und die Ziele der Vereinigung. Bürgerinitiative für Europa: Frau Lühmann, was ist die Europa-Union? Die 1946 gegründete Europa-Union ist die größte deutsche Bürgerinitiative für Europa. Sie ist überparteilich. Die Mitglieder engagieren sich auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene für ein in Frieden und Freiheit vereintes demokratisches und föderal verfasstes Europa. Es gibt Schwesterorganisationen in vielen EU-Staaten und darüber hinaus. Besonders in der Politik ist die Europa-Union gut vernetzt. Sie hat starke Parlamentariergruppen in Bundestag und Europaparlament, auch in vielen Landesparlamenten. Wieso Neugründung? Gab es in Celle schon einmal einen Ortsverein? Der letzte Kreisverband umfasste die Landkreise Celle, Soltau und Fallingbostel. Der letzte Vorsitzende, Anton Schneider, konnte altersbedingt immer weniger Aktivitäten entfalten, fand jedoch auch keine Nachfolge. Nach seinem Tod 2020 erlosch daher der Kreisverband. Die Neugründung wird sich jetzt auf das Gebiet des Landkreises Celle beschränken. Viele EU-Bürger leben im Landkreis Celle: Was hat Sie bewogen, sich für eine Neugründung eines Ortsvereins in Celle einzusetzen? Ich bin hier in Celle schon lange Mitglied der Europa-Union. In unserem Landkreis gab es schon immer viele Unionsbürger, die hier zeitweise oder auf Dauer arbeiten und leben. Ich habe es bedauert, dass keine Aktivitäten zum Thema Europäische Union und was das für uns hier in Celle bedeutet, stattfanden. Zum einen gilt es unsere Weltoffenheit und die Verbundenheit mit anderen Europäern in Zeiten eines immer mehr aufkommenden Nationalismus zu stärken. Zum anderen haben Bürger aus ganz Europa soeben viele konkrete Vorschläge für Europas Zukunft gemacht. Der Schlussbericht der Konferenz zur Zukunft Europas wurde am 9. Mai, dem Europatag, in Straßburg an die Spitzen der Europäischen Union übergeben. Durch diese Konferenz und die damit verbundenen Bürgerforen hat ein Prozess der Weiterentwicklung unserer Gemeinschaftsregeln von unten begonnen. Wenn wir diesen demokratischen Prozess aktiv begleiten wollen, brauchen wir auch eine lebendige Europa-Union in Celle. Zudem können sich Menschen nur für etwas einsetzen, dass sie kennen. Die Rechte und Möglichkeiten, die uns durch die Union zur Verfügung stehen, können wir über die Europa-Union besser und mehr bekannt zu machen. Letztlich hat mich die Reaktion auf die Idee, den Kreisverband neu zu gründen, begeistert. So war es nicht schwer, ausreichend Personen zu finden, die ehrenamtlich in einem Vorstand mitarbeiten möchten oder die Ideen als Mitglieder unterstützen wollen. Europa-Union ist parteipolitisch neutral: Wer kann in der Europa-Union mitmachen? Der Name klingt zunächst ja so, als wäre das ein Ableger der CDU? Nicht jede Union hat etwas mit der CDU zu tun. Bei der Europa-Union kann jeder und jede mitmachen. Der Austausch von Mitgliedern verschiedenen Alters und unterschiedlicher Berufe schärft die Arbeit für eine starke Europäische Union. Die Europa-Union Deutschland ist sehr auf parteipolitische Neutralität bedacht, möchte aber die Netzwerke ihrer Mitglieder für die Verbreitung der Europaidee nutzen. Daher haben sich auch bei uns in Celle Menschen verschiedener Parteien für Vorstandsämter zur Verfügung gestellt. Zusätzlich ist der Bildungsbereich vertreten. Wichtig wären mir noch, die Erfahrungen aus dem Handwerk vertreten zu haben, vielleicht können wir ja noch den einen oder die andere Gewerbetreibende aus Celle zur Mitgliedschaft motivieren. Für Mitglieder bis 35 Jahren gibt es die automatische Doppel-Mitgliedschaft auch bei den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF), die besonders auf die Interessen jüngerer Menschen ausgelegt ist. Sind die Menschen europamüde? Seit über zehn Jahren hören wir immer wieder, dass die Menschen in Deutschland europamüde seien. Umfragen sagen das Gegenteil: 68 Prozent der Befragten sehen in der EU für sich persönlich eher Vorteile, nur 17 Prozent eher Nachteile. Auch bei den Wahlen in Deutschland liegt die Zustimmung für europakritische Parteien im Vergleich zum Beispiel zu Polen, Ungarn oder Frankreich eher niedrig. Richtig ist aber auch: Von einer Europa-Euphorie ist bei uns aktuell wenig zu spüren. Und was nicht gepflegt und weiterentwickelt wird, droht beschädigt zu werden. Die Konferenz zur Zukunft Europas, mit deren Empfehlungen wir uns hier in Celle konkret auseinandersetzen und selbst in den weiteren Diskurs einbringen wollen, hat aber gezeigt, dass die Menschen, wenn man sie aktiv beteiligt, gar nicht müde sind, sondern vielmehr sehr aufgeweckt. Um die Europäische Union zu modernisieren und ihre Akzeptanz zu steigern, braucht es mehr Teilhabe. Über die Europa-Union können wir diese organisieren. Richtig spannend wird es, wenn wir bald einen neuen Europäischen Konvent bekommen sollten. Die Konferenz zur Zukunft Europas empfiehlt ihn, das Europäische Parlament und wir, die überparteiliche Europa-Union, fordern ihn. Schon jetzt steht fest, dass die Bürger an einem nächsten Konvent stärker beteiligt werden sollen. Wir wollen das auch in Niedersachsen aktiv begleiten, auch hier vor Ort in Celle. Weitere Länder streben in die EU: Krieg in der Ukraine, die Wahlen in Frankreich? Welche Verwerfungen beobachten Sie in Europa und der EU? Der Krieg in der Ukraine zeigt, was passieren kann, wenn sich Länder nicht auf multilaterale Regeln berufen können. Dann versucht der Stärkere, andere zu dominieren. Aber gerade die vereinte Hilfe der Länder der EU für die Menschen in der Ukraine beweist, was gemeinsam erreicht werden kann. Ich denke, dass auch die Stärkung der politischen Rechten in einigen Ländern darauf zurückzuführen ist, dass einige Kräfte eben nicht Konflikte mittels rechtsstaatlicher Verfahren lösen wollen, sondern mit der Macht des Stärkeren. Dass dies nicht im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung ist, sehen wir sowohl in Großbritannien als auch jetzt in dem von EU-Strafen bedrohten Ungarn. Gleichzeitig streben im Balkan weitere Länder in die EU, weil sie erkannt haben, dass sie sich in einer zunehmend gefahrvollen politischen Lage nur mit starken Partnern sicher entwickeln können, auch wenn sie dafür einige Regeln einhalten müssen. Wichtig wird sein, dass sich sowohl die langjährigen als auch die neuen Mitglieder unseres Staatenverbundes auf die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Verwaltung verpflichten. Das bedeutet auch, ständig zum Beispiel gegen Korruption und nationalistische Bestrebungen aktiv zu bleiben. Debatte über Europa an der Basis mitgestalten: Wie möchte die Europa-Union vor Ort für ihre Ideen werben? Wir wollen Europa und die Europäische Union verständlich und erlebbar machen. Dazu sind Dialogveranstaltungen eine gute Möglichkeit. Wir wollen die Debatte um Europas Zukunft an der Basis mitgestalten. Für den Europatag nächstes Jahr könnte es auch wieder eine „Europameile“ mit einem Markt der Möglichkeiten geben. Fahrten nach Brüssel und Straßburg dienen der Bildung, aber auch der Vernetzung. Stichwort Vernetzung: Wir möchten auch mit anderen international- oder bi-nationalen Vereinen in Celle Kontakt aufnehmen, um bei gemeinsamen Interessen gegebenenfalls zusammen zu agieren und das lebenswerte, weltoffene, europäische Celle weiter zu stärken. Zudem sind alle Neumitglieder aufgefordert, am Donnerstag bei der Gründungsversammlung oder auch danach ihre Erwartungen und Ideen für einen lebendigen Kreisverband einzubringen.