Celler Polizei kämpft gegen abgeschottete Drogenszene

Über Monate hat in Celle der Konsum und der Handel mit Drogen für Schlagzeilen gesorgt. Im Gespräch mit CZ-Redakteur Gunther Meinrenken spricht Polizeisprecherin Birgit Insinger über die hiesige Drogenszene. Ein Drogentoter Jugendlicher, eine Hanfplantage ausgehoben und einmal zwei mutmaßliche Dealerinnen sowie vor Kurzem noch einmal einen mutmaßlichen Drogenhändler ermittelt. Die Celler Polizei hat in jüngster Zeit einige Erfolge gegen den illegalen Drogenhandel vorzuweisen. Haben Sie Ihre Aktivitäten gegen die Dealer-Szene intensiviert? In Ihrer Auflistung fehlt noch die Indoorplantage in der Braunschweiger Heerstraße, die am 31. März dieses Jahres im Rahmen eines Einsatzes mit Spezialkräften des Landeskriminalamts Niedersachsen durchsucht wurde. Gleichzeitig wurde der Hauptverantwortliche der Plantage in Hamburg bei einem Deal von mehreren Kilogramm Cannabis ebenfalls von einer niedersächsischen Spezialeinheit nach Ermittlungen der Celler Polizei festgenommen. Hinsichtlich der oben getroffenen Aussage zu „einigen Ermittlungserfolgen“ in der jüngsten Zeit weisen wir darauf hin, dass die Polizeiinspektion Celle seit einigen Jahren äußerst intensiv und erfolgreich in der Bekämpfung der Betäubungsmittel-Kriminalität ist. In den vergangenen vier Jahren haben wir weit mehr als 100 Kilogramm Drogen beschlagnahmt und konnten zahlreiche Täter mitunter jahrelangen Freiheitsstrafen zuführen. Wir waren und sind mit diesem Deliktsfeld durchgehend befasst. Kein offener Handel mit Drogen: Was macht die Ermittlungen in der Szene so schwierig? Ermittlungen in der Betäubungsmittel-Szene sind genauso schwierig und arbeitsintensiv wie bei allen anderen komplexen Ermittlungen wie zum Beispiel bei Tötungsdelikten. In beiden Fällen lautet die Frage nach dem „Wer“, allerdings ist die Ausgangslage unterschiedlich. Betäubungsmittelverfahren haben selten einen Tatort im klassischen Sinn, um den herum ermittelt wird. Die Verdächtigen in der Betäubungsmittel-Szene versuchen möglichst konspirativ und anonym vorzugehen, arbeiten häufig mit falschen Personalien und/oder gefälschten Ausweisdokumenten. Nach außen hin schottet sich die Szene, insbesondere die Händlerebene, mitunter sehr konsequent ab. Gibt es im Stadtgebiet oder Landkreis Schwerpunkte des Drogenhandels? Im Spätherbst rückte zum Beispiel der Harburger Berg in den Fokus der Öffentlichkeit. Besondere Schwerpunkte gibt es nicht, auch nicht in der Stadt. Die bekannten Fälle verteilen sich in Stadt und Landkreis. Eine offene Szene gibt es in Celle nicht. Wie kommen die Drogenkonsumenten an ihren Stoff? Die Polizei sollte tunlichst nicht verbreiten, wie gedealt wird und illegale Geschäfte abgewickelt werden. Auch Schulen im Fokus der Celler Polizei: Welche Rolle spielt dabei der Drogenhandel an Schulen? Die Polizei hat ja in jüngster Zeit und auch schon in der Vergangenheit zum Beispiel Kontrollen an Berufsbildenden Schulen durchgeführt. Unser Präventionsteam steht in regem Austausch mit den Schulen. Werden Verdachtsfälle bekannt, wird entsprechend reagiert. Der polizeiliche Schwerpunkt im Schulkontext liegt jedoch in der Prävention. Gibt es eine homogene Kundschaft der Drogendealer? Oder zieht sich das quer durch alle Gesellschaftsschichten? Gibt es Drogen, die vornehmlich auch von sozial integrierten Konsumenten genutzt werden? Die Kundschaft der Dealer zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Deutlich ältere Menschen sind allerdings seltener betroffen. Dunkelziffer bei Drogenkriminalität: Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie viele Drogenkonsumenten es in Stadt und Kreis Celle derzeit gibt? Belastbare Zahlen lassen sich nicht nennen. Uns sind natürlich auch nicht sämtliche Fälle bekannt, weil es im Bereich der Drogenkriminalität immer eine Dunkelziffer gibt. Wer kontrolliert den Drogenhandel in Celle? Gibt es hier kriminelle Clan- beziehungsweise Familienstrukturen? Sitzen die „großen Bosse“ in Hannover oder haben wir hier auch den einen oder anderen „Drogenbaron“? Wie unterscheidet die Polizei zwischen großen und kleinen Dealern? Von einer „Kontrolle des Drogenhandels“ in Celle durch Clans oder Familien können wir nicht sprechen. Die Unterscheidung zwischen „großen und kleinen Dealern“ erbringt das Ermittlungsergebnis, ist aber ein relativer Begriff und vor allem kein juristisches Kriterium. Woher kommen die Drogen, die in Celle verkauft werden? Teilweise aus Celle wie etwa den oben erwähnten Plantagen, aber auch aus vielen anderen Städten und Ländern. Cannabis in Celle bevorzugte Droge: Welche Drogen werden in Celle konsumiert? Welche Gründe sollte es geben, ausgerechnet in Celle eine bestimmte Sorte Betäubungsmittel nicht zu konsumieren? Es wird konsumiert, was erhältlich und vielleicht auch gerade „in“ ist. Der Schwerpunkt liegt bei Cannabis, es gibt jedoch bei den Betäubungsmitteln keine Ausnahmen. Synthetische Drogen auf dem Vormarsch: Welche Rolle spielen synthetische Drogen in Celle? Bekommt man in Celle alles, was man haben möchte? Synthetische Drogen sind ein Bereich, der eine besondere Bedeutung und Gefährlichkeit aufgrund der willkürlichen und vor allem unerprobten chemischen Zusammensetzung bekommt. Abgesehen von der sehr freien Rezeptur besteht eine weitere Gefahr durch das ungleichmäßige Aufbringen der synthetischen Drogen auf die Trägersubstanz. Sofern Cannabispflanzen oder deren Teile der Träger sind, erfolgt das Aufbringen mal mehr oder weniger stark. Der Endkonsument kann nicht kontrollieren, ob er einen stark oder geringer belasteten Teil der vermeintlich natürlichen Droge kauft. In aller Regel dürfte er auch gar nicht wissen, chemisch behandeltes Cannabis überhaupt gekauft zu haben. Neue Statistiken belegen bereits mehrere Tote durch synthetische Cannabinoide. Die Celler Polizei hat im Zusammenhang mit synthetischen Drogen bereits Einsätze mit einer Polizeidienststelle aus dem Süden Deutschlands durchgeführt und eine Werkstatt zur Herstellung solcher Stoffe durchsucht. Welchen Einblick hat die Polizei über Kriminalität im Umfeld der Drogenszene? Gibt es hier Auseinandersetzungen rivalisierender Dealer oder Banden? Sich Einblick in die kriminelle Szene und deren Umfeld zu verschaffen, ist Teil der täglichen Arbeit. Auseinandersetzungen zwischen Beteiligten eines Deals ereignen sich durchaus, nur wird es nach Außen natürlich anders dargestellt. Von rivalisierenden Dealern oder Banden können wir hier nicht sprechen. Celle ist keine Insel der Glückseligen: An dieser Stelle soll kurz auf die Darstellung der Situation in Celle durch die Medien eingegangen werden: Fachwerkidylle und Kriminalität schließen sich nicht aus. Wir leben in Celle nicht auf einer einsamen Insel und sind von Kriminalität genauso betroffen wie andere Städte. Im Bundesvergleich liegt die kriminalitätsbezogene Häufigkeitszahl (Taten pro 100.000 Einwohner) Celles dennoch unter dem Durchschnitt und die Aufklärungsquote der Polizeiinspektion Celle ist die fünfthöchste im Land Niedersachsen. Die Polizei kann so gut arbeiten, wie die Gesellschaft uns haben will: Mit Aufmerksamkeit und Respekt füreinander haben wir es in unserer Hand, Stadt und Landkreis weiterhin sehr lebenswert zu gestalten. Die Zusammenarbeit der Ermittler mit Stadt und Landkreis gestaltet sich im Übrigen äußerst positiv und ist ein ausdrückliches Dankeschön an die Verwaltung wert. Zweiter Teil des Interviews: Im zweiten Teil des Interviews mit Birgit Insinger geht es vornehmlich um Prävention. Dort spricht die Polizeisprecherin über die Gefährlichkeit synthetischer Drogen und Hilfen für Eltern.