Celler Impfzentrum: Weite Reise für die Spritze

Das war ein Ritt. Um 5 Uhr ist Cindy Paetzel in Lüneburg zu ihrem Mann ins Auto gestiegen. Dann haben sich die beiden eine Stunde lang über verschneite Straßen zum Amt Neuhaus durchgekämpft und Paetzels 84 Jahre alte Mutter eingeladen. Anschließend ging es weiter zum Impfzentrum Celle. Dieser Impftourismus ist Auswuchs des realen Impfirrsinns, der sich gerade in der Republik abspielt: Landauf, landab haben Verwandte zum Start der Impfaktion für über 80-Jährige alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihren betagten Angehörigen die ersehnte Impfung zu ermöglichen. Allein für das Impfzentrum Celle waren bei der ersten zentralen Vergabe 180 von 275 Termine an Senioren vergeben worden, die gar nicht im Landkreis Celle wohnen. Wie die Paetzels sind die ersten von ihnen am Montag in der CD-Kaserne aufgeschlagen. Stunden am Telefon und Computer: „Ich habe den Termin für meine Mutter über die offizielle Impfseite des Landes Niedersachsen bekommen“, erzählte Paetzel. Gleich am ersten Tag, als die Terminvergabe freigeschaltet wurde, habe sie am Computer gesessen – stundenlang. „Seit 8 Uhr hatte ich es immer wieder versucht, um 17.30 Uhr hat es dann geklappt. Aber erst als ich auf Bestätigen gedrückt habe, habe ich gesehen, dass wir einen Termin in Celle bekommen haben“, sagte Paetzel. Dass sie letztlich auch trotz der widrigen Wetterbedingungen die Fahrt auf sich genommen haben, sei keine Frage gewesen. Dazu sei der Impftermin „zu kostbar“. Corona-Impftermin "zu wichtig": Das fand letztlich auch Ute Geffert, die aus Uelzen mit ihrer 94-jährigen Mutter nach Celle gekommen war. „Heute morgen habe ich schon eine Stunde lang überlegt, ob ich wirklich fahren soll, aber der Termin ist einfach zu wichtig“, sagte Geffert, und goss sich auf dem Parkplatz der CD-Kaserne eine Tasse heißen Tee aus der Thermoskanne ein, um sich während der Wartezeit warm zu halten. Senioren aus Celle haben sich von ihrer Betreuerin zur CD-Kaserne fahren lassen oder liefen einfach zu Fuß, so wie eine rüstige alte Dame, die von der Wittinger Straße bis zum Impfzentrum gelaufen war. „Meine Nichte hat den Termin für mich gemacht. Ich frage mich allerdings schon, ob nicht lieber Lehrer oder andere Leute mit wichtigen Berufen geimpft werden sollten, bevor wir Ollen an die Reihe kommen“, so die Cellerin. Jüngere Verwandte vereinbaren Termine: Egal, wen man am Montag vor dem Impfzentrum in der CD-Kaserne antraf, alle „Impflinge“ sagten dasselbe: Lob für das freundliche und gut organisierte Personal im Impfzentrum auf der einen Seite und Berichte über die stundenlangen Bemühungen, überhaupt einen Impftermin zu bekommen. Was auch deutlich wurde: Die Mehrheit der Senioren hat den Termin gar nicht selbst gebucht, sondern das haben jüngere Verwandte (von der Nichte bis zur Enkelin), die mit der Technik besser vertraut sind, in die Hand genommen. Manchmal mit erstaunlichem Erfolg. Gefferts Tochter schaffte es über das Internet nach unglaublichen 15 Minuten, einen Impftermin für ihre Oma zu erhalten. Kein Durchkommen bei Hotline: Von solchen Traumzeiten sind die über 80-Jährigen, die sich nach wie vor um einen Impftermin bemühen, weit entfernt. Bei der Hotline des Landes kam man auch gestern kaum durch. Und die offizielle Internetseite www.impfportal-niedersachsen.de war zwar erreichbar, doch nach nur einem Klick und der Eingabe der Postleitzahl werden die Senioren vertröstet. „Zur Zeit gibt es Verzögerungen bei der Impfstofflieferung für Deutschland. Daher stehen leider momentan keine freien Termine mehr zur Verfügung, alle vorhandenen Impfdosen für die Erstimpfung wurden bereits vergeben.“ Den über 80-Jährigen wird empfohlen, sich auf einer Warteliste einzutragen. Sehr freundlich und sehr schnell: Mit solchen Problemen müssen sich die Senioren, die am Montag ihren Termin hatten, nicht mehr herumschlagen. „Ich bin die einzige aus meinem Freundeskreis, die einen Termin bekommen hat“, sagte Heide Lange. Die 80-jährige aus Celle war begeistert über das Personal im Impfzentrum. „Ich hatte hier eigentlich ein absolutes Chaos vermutet, auch wegen des Wetters, aber es lief alles sehr ruhig, sehr freundlich und sehr schnell ab“, stellte Lange fest. Nur ein Termin ausgefallen: Ralf Welschhoff, Organisatorischer Leiter des Celler Impfzentrums, war mit dem Ablauf der Impfaktion auch sehr zufrieden. „Für uns ist es sehr gut gelaufen. Es gab bis auf einen Termin keine Ausfälle und das Team hat gut funktioniert.“ Zwischenfälle mit Senioren, die die Impfung nicht vertragen hätten, habe es nicht gegeben. Welschhoff ist zuversichtlich, dass es in den kommenden Tagen genauso reibungslos weitergehen wird. „Wir gehen davon aus, dass die Termine wie geplant abgearbeitet werden“, sagt er. So funktioniert das Celler Impfzentrum: 1479 Termine bis 19. Februar: So funktionieren die Impfungen im Celler Impfzentrum und das müssen die "Impflinge" beachten. Wir haben uns vor Ort umgeschaut. Unter www.impfzentrum-celle.de können sich Personen, die einen Impftermin haben, über den Ablauf in einem Film informieren. Es wird zudem aufgeführt, welche Dokumente mitgebracht werden müssen. Termine werden nur über das Land vergeben, Anrufe diesbezüglich sind beim Landkreis Celle zwecklos. Anmeldungen werden unter der Telefonnummer (0800) 9988665 und unter www.impfportal-niedersachsen.de vergeben.