Celler Altstadt: So denken Geschäftsleute über verlängerten Corona-Lockdown

Erwartungsvoll und gespannt haben Frederik Neumann und viele weitere Celler Geschäftsleute in der vergangenen Woche nach Berlin geblickt. Schnell folgte allerdings die Ernüchterung: Einen festen Termin, an dem die Läden in der Altstadt wieder öffnen dürfen, gibt es noch immer nicht. "Natürlich ist nun ein Ziel in Sicht, ein konstanter Inzidenzwert von unter 35", sagt Neumann, der das "Herrenzimmer" an der Schuhstraße führt. Doch viele Fragen bleiben. "Es wurde sich unserer Auffassung nach zu viel Spielraum gelassen. Was heißt in diesem Zusammenhang konstant und was sind die konkreten Voraussetzungen?", fragt er. Kaum Kunden seit "Lockdown Light": Neumann möchte endlich wieder öffnen. In seinen Geschäftsräumen stapelt sich inzwischen die nicht verkaufte Kleidung. Die Winterkollektion liegt fast unberührt da. "Wir hatten schon im November während des 'Lockdown Light' mit einem massiven Kunden-Rückgang zu tun. Und seit Mitte Januar liefern die Produzenten nun schon die Frühjahrs- und Sommerkollektionen. Der Rattenschwanz hinter einem geschlossenen Geschäft ist viel länger, als man auf den ersten Blick sehen kann." Weniger Ware bestellen birgt für den Geschäftsmann allerdings nur noch weitere Risiken. "Zum einem generieren weniger Ware und leere Regale nach der Wiedereröffnung ebenfalls keinen Umsatz und zum anderen wird die Ware gut ein Jahr im Voraus bestellt. Anfang Januar 2020 hatte kaum einer mit diesem Ausmaß gerechnet", so Neumann. Celler Traditionsgeschäft Rudel vermisst Kundenkontakt: Iris Rudel vom gleichnamigen Celler Traditionsgeschäft weiß, wovon Neumann spricht. Auch bei ihr stapelt sich die Winterkollektion. Doch den Kopf in den Sand stecken kommt für sie nicht in Frage. "Wir versuchen, seit Anfang Januar unsere Winterware über 'Schnäppchen aus dem Schaufenster' zu veräußern", berichtet sie. "Dafür haben wir montags, mittwochs und samstags morgens geöffnet. An diesen Tagen können unsere Kunden die Schnäppchen und andere bestellte Ware abholen." Trotz guten Kunden-Feedbacks sehnt sie sich nach Normalität. "Wir hoffen, dass wir so schnell wie möglich wieder aufmachen dürfen, weil unser Geschäft von der persönlichen Beratung lebt", sagt Rudel. Onlineshopping ersetzt keine persönliche Beratung: Der direkte Kontakt fehlt auch Frederik Neumann sehr. Er versucht aus der Not heraus, übers Internet die Kommunikation zu Stamm- und Neukunden am Laufen zu halten. "In meinen Augen ist die Präsenz in den sozialen Medien und generell im Internet in der aktuellen Situation existenziell." Das gewohnte Einkaufserlebnis kann er aber auch über Plattformen wie Facebook und Co. nicht bieten. "Wir sind überzeugt, dass man den Großteil unseres Warenangebots nicht in einem langweiligem Onlineshop präsentieren und verkaufen kann, darum bieten wir immer wieder an, uns anzurufen, eine Nachricht oder Email zu senden oder sogar am Schaufenster zu klopfen", erzählt er. "Wichtig ist für uns nach wie vor, mit einer guten individuellen Beratung und dem Höchstmaß an möglichem Service ein Einkaufserlebnis zu kreieren und Produkte zu verkaufen, die den Corona-Frust etwas minimieren." Kritik an Spahn, Merkel und Co. Mit mehr liegen gebliebener Ware als geplant muss sich auch Konrad Sauer herumschlagen. Er ist Geschäftsführer des Outdoor-Ladens "Unterwegs" an der Rabengasse. Augenzwinkernd beschreibt der den Verkauf seit Beginn des "Lockdown Light" als schleppend. "Mit Schließung der Gastronomie war die Anzahl an Kunden in der Innenstadt bereits rückläufig und deutlich spürbar", sagt er. Grundsätzlich hat er Verständnis für die Maßnahmen: "Wir schließen ja um der gesamte Gesellschaft dabei zu helfen die Pandemie in den Griff zu bekommen." Trotzdem fühlt er sich allein gelassen. "Warum aber Kunst, Kneipen, Kultur und Einzelhandel die Hauptlast dieser Pandemie tragen, erschließt sich mir nicht. Als Solidargemeinschaft sollte die Last auf die Schultern aller Bürger verteilt werden", sagt er. Frederik Neumann pflichtet ihm bei. Auch er kommt mit seinem Geschäft langsam an die Grenze des Machbaren: "Inzwischen fühlen wir uns etwas allein gelassen. Staatliche Hilfen, die das Überleben der Einzelhändler sichern sollen, können frühestens Ende Februar beantragt werden. Diese Verzögerung ist hart. Es ist schon ein Kampf, das Geschäft am Leben zu halten. Rücklagen sind aufgebraucht. Das bereitet mir Kopfweh."