Auch in Celle: Volksbegehren "Artenvielfalt.Jetzt!" am Start

Einen langen Weg ist der Müdener Imkermeister Klaus Ahrens schon gegangen, um sich gemeinsam mit anderen Umweltschützern gegen das immer rasantere Insekten- und Artensterben anzustemmen. "Nach 35 Jahren Tätigkeit mit den Bienen, die ja alle für uns alle unentgeltlich tätig sind, kann man auch mal etwas zurückgeben", sagt Ahrens, der jetzt in Hannover an einem Meilenstein angelangt ist: Dort wurde mit der Unterschriftensammlung für das von ihm mitinitiierte Volksbegehren "Artenvielfalt.Jetzt!" begonnen. Ziel dieses Plebiszits ist es, den von der Landesregierung proklamierten "Niedersächsischen Weg" hin zu mehr Artenschutz, der auf mehr oder minder unverbindlichen Vereinbarungen beruht, durch Gesetze zu untermauern. "Niedersächsischer Weg": Erst kürzlich hatte die Landesregierung sich nach langen Verhandlungen mit Bauern und Naturschützern auf neue Ziele für den Artenschutz verständigt: der "Niedersächsische Weg". Eine Vereinbarung wurde unterzeichnet. Unter anderem soll der Anteil des Öko-Landbaus bis 2025 auf 10 Prozent und bis 2030 auf 15 Prozent erhöht werden. Bisher lag der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Niedersachsen erst bei etwas mehr als vier Prozent – damit hinkt das Land dem bundesweiten Durchschnitt von 9 Prozent hinterher. Gleichzeitig sagt die Regierung den Bauern zu, „einen geeigneten und fairen Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile“ sicherzustellen. Weitere Regelungen betreffen etwa den Schutz von Gewässerrandstreifen, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und die Bewirtschaftung von Wäldern und Mooren. Bis Jahresende soll zudem ein Aktionsprogramm Insektenvielfalt auf die Beine gestellt werden. Mehr Öko-Landbau, weniger Pestizide: Die Initiatoren des Volksbegehrens streben mehr an: Beispielsweise soll die Quote für den Öko-Landbau bis 2030 bei 20 Prozent liegen statt wie jetzt vereinbart bei 15 Prozent, auch die Randstreifen an Gewässern sollen breiter sein. Der Einsatz von Pestiziden soll bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent reduziert werden. Die Tierhaltung soll auf zwei oder weniger Großvieheinheiten je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche zurückgeführt werden. Die naturnahe Entwicklung sowie die Erweiterung dauerhafter Strukturelemente in der Feldflur wie Feldgehölze, Hecken und Gewässerrandstreifen, Baumreihen und Kleingewässer sollen ebenso gefördert werden wie mehrjährige Blühstreifen und die Wiedervernässung von Mooren. Entscheidend sind formale Unterschiede: Das Volksbegehren ist mit konkreten Gesetzesänderungen hinterlegt, während die Vereinbarung der Landesregierung erst einmal nur eine Ankündigung ist. Gesetze gefordert: Ahrens: "Die Landesregierung hat sich zwar an den Forderungen unseres Volksbegehrens entlang gehangelt, aber dabei herausgekommen ist ein Kompromiss, der nicht die von uns gewünschten positiven Effekte bringen wird. Der Niedersächsische Weg wird eine endlose Verhandlung sein – aber die Natur verhandelt nicht." Der Weg in die Zukunft müsse auch eine Umkehr in vielen Aspekten, die der Artenvielfalt schadeten, beinhalten, so Ahrens: "Und zwar jetzt. Jede Art, die wir verlieren, verlieren wir für immer. Da hilft nur ein Niedersächsischer Weg, der auch mit Gesetzen gepflastert und dadurch belastbar und leistungsfähig ist." 610.000 Unterschriften benötigt: Die Landes-Verfassung ermöglicht in Artikel 48 den Bürgern eine unmittelbare Beteiligung an demokratischen Vorgängen. So muss der Landtag über den Gesetzesvorschlag des Volksbegehrens beschließen, wenn zehn Prozent der Wahlberechtigten es unterschreiben – dafür werden rund 610.000 Unterschriften benötigt. Mehr als 130 Bündnispartner sind inzwischen beim Volksbegehren "Artenvielfalt.Jetzt!" dabei – darunter viele Umwelt- und Naturschutzverbände, Vereine, Parteien sowie weitere Organisationen. Fragebögen werden in Kürze verteilt: In Hannover begann am Mittwoch das Sammeln der Unterschriften an einem Infostand mit dem Initiatorenkreis des Volksbegehrens in der Innenstadt. Unterschriftenbögen gibt es in Kürze in ganz Niedersachsen bei den örtlichen NABU-Regionalgruppen und bei Grünen-Geschäftsstellen sowie – sobald das coronabedingt möglich ist – nach und nach auch in Geschäften und an vielen anderen Orten. In Celle kümmert sich eine Aktionsgruppe um den Grünen-Politiker Bernd Zobel und Andrea Pohlen vom NABU um die Verteilung der Fragebögen – und darum, dass sie auch mit Unterschriften gefüllt werden. Optimismus bei Initiatoren: Die Celler Aktionsgruppe, die per E-Mail unter celle@artenvielfalt-niedersachsen.jetzt erreichbar ist, wolle in Kürze bekannt geben, wo genau man sich in Listen eintragen könne, so Pohlen: "Dazu nutzen wir unsere Mitglieder als Multiplikatoren. Natürlich liegen die Listen auch in unserer Geschäftsstelle in der Schuhstraße und der der Grünen in der Bahnhofstraße aus." Online könne man nicht unterzeichnen. Das sei auch nicht nötig, hofft Pohlen: "Schon wenn nur unsere 110.000 Mitglieder im Land alle unterzeichnen, bekommen wir locker die 25.000 Stimmen zusammen, die wir brauchen, damit das Volksbegehren zugelassen wird." Und die 610.000er-Marke sei dann auch zu knacken, sagt Ahrens: "Wir gehen unsren Weg weiter und hoffen, dass viele ihn mitgehen." Seltene Tiere, interessante Menschen und prächtige Landschaften: All dies bietet das neue "Celle blüht auf"-Magazin. Das rund 150 Seiten starke Heft ist im Einzelhandel und natürlich auch im CZ-Kundencenter zum Preis von 4,90 Euro erhältlich. Das Magazin kann aber auch online bestellt werden: abo.cellesche- zeitung.de/magazine.