Nicht nur die katholische Kirche hat ihren Missbrauchsskandal . Auch hinter den Kulissen der evangelischen Kirche tun sich Abgründe auf. „Sexualisierte Gewalt hat so viele Gesichter und kommt manchmal scheinbar freundlich, zugewandt, unterstützend, schützend und begleitend daher – und hat dennoch verheerende Auswirkungen“, sagt Nancy Janz. Sie kämpft für die Rechte von Opfern sexueller Übergriffe in der evangelischen Kirche und gegen das systematische Wegschauen, Vertuschen und Vergessen. Kürzlich hat die heute 42-Jährige bei der Synode, einem von drei Leitungsorganen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Betroffenen eine Stimme verliehen. Die schlimmen Erlebnisse, die Janz prägten, unter denen sie heute noch leidet, sind ihr in einer Celler Kirchengemeinde widerfahren. Hier wurde sie als 17-Jährige von einem Pastor sexuell missbraucht. Der Täter von damals ist längst schon nicht mehr in Celle. Aber er arbeitet noch immer als christlicher Pastor und „Seelsorger“. Als ob nichts gewesen wäre.
Liebe Worte, böse Taten
„Ich wollte ja nur das Beste für dich.“ – „Ich hab‘ dich immer lieb gehabt, ich wollte dir nie was Böses.“ – „Dir hat‘s doch auch gefallen.“ – „Es war doch schön.“ Sätze wie diese hat Nancy Janz jahrelang immer wieder von dem Täter gehört, der sie sexuell missbrauchte. Heute lebt sie in Bremen, arbeitet als Inklusionsbeauftragte für die Bremische Evangelische Kirche und ist Heilpraktikerin für Psychotherapie mit einer eigenen Praxis.
Gewalt schon im Elternhaus
Janz wuchs in der ehemaligen DDR auf. Ihr Elternhaus war geprägt von Alkoholismus und Gewalt von Seiten der Mutter sowie sexuellen Übergriffen durch Vater, Schwager und weitere nichtfamiliäre Täter. „So bin ich groß geworden“, erzählt sie. Mit 16 Jahren zog sie von zu Hause aus und begann kurz darauf in Celle ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin. Damals stand sie vor einem Abgrund: „Ich habe mit meiner Familie gebrochen, bin in eine neue Stadt gezogen, ich wusste nicht, wie ich mich finanzieren sollte – alles war total schwierig.“ Nancy Janz suchte Halt in einer Gemeinde der Hannoverschen Landeskirche. Und fand ihn dort auch in dem Jugendpastor, der sich als Seelsorger um sie kümmerte: „Umarmungen und Trost waren selbstverständlich.“